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100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges: Die Feinde von einst gedenken gemeinsam ihrer Toten

Partnerstädte: Eine Delegation reist nach Bressuire. Dort erlebt sie eine besondere Geste ihrer Freundschaft

22.11.2014

100 Jahre nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges: Die Feinde von einst gedenken gemeinsam ihrer Toten

Das Schicksal von deutschen und Franzosen im Ersten Weltkrieg schildert eine in der Partnerstadt Bressuire erschienene Broschüre, an der auch Regine Nägele aus Friedberg mitgearbeitet hat.

Vor 100 Jahren standen sich die Soldaten auf den Schlachtfeldern Europas gegenüber - jetzt gedachten die Nachkommen gemeinsam der Opfer des Ersten Weltkriegs. Neben Vertretern der Partnerstädte aus Leixlip (Irland) und Mequinenza (Spanien) reiste dazu auch eine fünfköpfige Delegation aus Friedberg nach Bressuire.Bürgermeister Roland Eichmann legte gemeinsam mit seinen Kollegen einen Kranz am Mahnmal der französischen Stadt nieder. Begleitet wurde Eichmann auf der Reise von der Komiteevorsitzende Helen Oberndorfer, Walter Föllmer und Lilli Funk, die das Partnerschaftskomitee seinerzeit gründeten, sowie der Heimatvereinsvorsitzenden Regine Nägele.

Beim Empfang für die geladenen Gäste im Rathaus am Abend überreichten die Delegationen ihre Präsente. Ganz zum Schluss warteten die Friedberger mit einem besonderen Geschenk auf, das Helen Oberndorfer gleich in französischer Sprache erklärte: Die Reproduktion einer großen Tafel mit den Porträts und den Namen aller Friedberger Kriegsgefangenen des I. Weltkrieges. Regine Nägele hatte die Tafel auf dem Dachboden des Stadtarchivs gefunden. Klaus Theilacker von den Fotofreunden ließ die Reproduktion und die Vergrößerung eines Bildausschnittes mit dem Friedberger Josef Pfeil anfertigen. Dieses Bild wurde ebenfalls Bürgermeister Bernier überreicht. Der Friedberger Josef Pfeil hatte in Frankreich gekämpft und war in englische Kriegsgefangenschaft geraten, kehrte aber nach dem Krieg wieder heim. Gerade wegen seines fast französisch anmutenden und zudem jugendlichen Aussehens hatte man ihn für eine große Porträtaufnahme ausgewählt, als ein Zeichen der Hoffnung für die Zukunft.

Am nächsten Tag, an dem sich der Waffenstillstand von 1918 jährte, begannen bereits um 9 Uhr in St. Porchaire, einem Ortsteil von Bressuire die Gedenkfeierlichkeiten. Jeder einzelne Name der Gefallenen aus St. Porchaire wurde vorgelesen. Am Kriegerdenkmal wurde Regine Nägele vom Präsidenten des dortigen Veteranen- und Soldatenvereins, Michel Motard, gebeten, ein paar Worte zu sprechen. Gemeinsam legten Bürgmeister Bernier, Michel Motard und Regine Nägele Blumenschmuck am Denkmal nieder.

In Bressuire wurde anschließend in der Kirche Notre Dame die Gedenkmesse in mehreren Sprachen gehalten. Unter Trommelwirbel und Musik zog nach der kirchlichen Feier ein langer Zug zum Mahnmal. Bei der ergreifenden Zeremonie, bei der ein großer Kinderchor mitwirkte, wurden Ehrungen vorgenommen und Blumenschmuck verschiedener Abordnungen am Mahnmal niedergelegt. Mit bewegenden Worten wurde des Leids der Opfer gedacht und angemahnt, nicht nachzulassen im Bemühen um ein friedliches Miteinander. Nach einer Schweigeminute legten Bürgermeister Bernier, Roland Eichmann, die Bürgermeisterin von Mequinenza und die Altbürgermeisterin von Leixlip gemeinsam einen Kranz am Mahnmal nieder. Am Mahnmal, an dem die Namen der Gefallenen der beiden Kriege eingemeißelt sind, hat die Stadt Bressuire nun auch eine Tafel mit den im I. Weltkrieg gefallenen Friedbergern angebracht.

Im großen Veranstaltungszentrum Bocapole wurden die Feierlichkeiten fortgesetzt. Der Kinderchor sang die Europahymne, eine Strophe davon auch in Deutsch. Es folgten Ansprachen von Bürgermeister Bernier und seinem Friedberger Amtskollegen Roland Eichmann.

Der Vorsitzende des Historischen Vereins von Bressuire, Guy-Marie Lenne, stellte die zu diesem Anlass erschienene Publikation über den I. Weltkrieg vor. Darin befindet sich auch der Artikel über „Friedberg im Jahr 1914“, den Regine Nägele auf Bitten von Christian Debois geschrieben hatte. In ihrer Rede im Bocapole führte Regine Nägele in französischer Sprache kurz aus, warum der I. Weltkrieg in der persönlichen Wahrnehmung vieler Deutscher vom II. Weltkrieg und seinen Folgen vollständig überdeckt ist.

Auch am Abreisetag, dem Mittwoch, gab es volles Programm. Zunächst besuchte man auf Initiative von Walter Föllmer das Grab des 2012 verstorbenen Jean Bousseau, der während des II. Weltkriegs in Deutschland als Zwangsarbeiter tätig sein musste. Bousseau hatte 1992 zusammen mit dem damaligen Bürgermeister Claude Boutet die Partnerschaft initiiert und war als Gründungspräsident der Partner von Walter Föllmer. In Begleitung von Roland Eichmann und Christian Desbois legte Föllmer einen Blumengruß am Grab nieder.

Museumsleiter Jérôme Levitsky führte durch die Ausstellung über den I. Weltkrieg. Auch eine „Friedberg-Ecke“ ist dort eingerichtet, zu deren Ausstattung großenteils Regine Nägele, wiederum auf Bitten des dortigen Komitees, mit vielfältigen digitalisierten Feldpostkarten beigetragen hatte. Sie wurden zum Teil großformatig zu Papier gebracht und ausgestellt. Auch die Gedenktafel des Friedberger Veteranen- und Soldatenvereins ist dort als Leihgabe ausgestellt.

Im Rahmenprogramm führte der Bürgermeister von Bressuire, Jean-Michel Bernier, die Gäste aus den Partnerstädten durch seine Stadt.
Viele Einrichtungen der Stadt wurden angefahren, darunter das Theater, die Radrennbahn, das Schwimmbad, der Platz der Partnerstädte, das Bocapole mit seinen riesigen Veranstaltungsräumen sowie das Kino „Le Fauteuil Rouge“, in dem alle Säle einen knallroten Sitz in der Mitte der Sesselreihen haben. Dem Bürgermeister von Bressuire ist es gelungen, aus Bressuire mit den inzwischen stark frequentierten Einrichtungen ein Zentrum in der Region zu schaffen.

Im alten, stillgelegten Bahnhof von Bressuire zeigte Bürgermeister Jean-Michel Bernier mit Stolz die sich im Gebäude befindende phantastische Eisenbahnanlage mit der im Maßstab dazu passend gearbeiteten Stadt Bressuire der Fünfzigerer Jahre. Am Stammtisch des französischen Friedberg-Komitees in dem Restaurant „Petit Brasseur“ stieß man traditionsgemäß mit Bier an.

(FA), © Friedberger Allgemeine

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