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Alte Sauklaue ist jetzt lesbar - Handschriften

Friedberger Heimatverein macht schwer entzifferbare Handschriften zugänglich. Ein Rausch kommt so ans Licht.

07.01.2015

Alte Sauklaue ist jetzt lesbar - Handschriften

Alte Handschriften sind oft schwer zu entziffern.

Normalerweise würde der Mantel des Schweigens über Untaten von Friedbergern aus längst vergangenen Tagen gebreitet. Doch auch beim aktuellen Bürgermeister Roland Eichmann war jetzt ein Rausch aus dem Jahr 1772 ein Thema. Damals hatte sich ein Friedberger Müller (Jacob Wolfburger) – wie es heißt – „ziemlich rauschig“ in Wirtshäusern benommen und den Gottesdienst hat er auch nicht besucht. Dafür landete er für drei Tage und Nächte bei Wasser und Brot im Kälberkeller. Nachlesen kann man dies im Friedberger Ratsprotokoll von 1772, wenn man denn die Handschrift entziffern könnte. Doch der Heimatverein Friedberg macht dies jetzt möglich. Dessen Vorsitzende Regine Nägele hat alte Handschriften des Stadtarchivs und der Heimatvereinsbibliothek lesbar und über 1000 Seiten über das Internet für alle Interessierten zugänglich gemacht. Gedacht ist dies als Geschenk des Heimatvereins zum 750. Geburtstag der Stadt.

Nun stellte der Heimatverein dieses Projekt Bürgermeister Eichmann vor. Der unternahm erst gar nicht einen eh vergeblichen Versuch, eines der mitgebrachten Beispiele vorzulesen. Auch Regine Nägele hatte vor über zehn Jahren zunächst Startprobleme, als sie mit ihren Nachforschungen zur Friedberger Mozartin begann. Sie hat miterlebt, dass sich manchmal selbst Stadtarchivare mit einer historischen „Sauklaue“ schwertun. Doch längst hat sich die Heimatvereinsvorsitzende unter anderem in alte Friedberger Ratsprotokolle eingelesen: „Inzwischen kann ich es teilweise mühelos überfliegen.“

Darin zu lesen, findet Regine Nägele spannender als Krimis. Für sie ist es wie ein Eintauchen in die Stadtgeschichte. Immer wieder gibt es für die Vereinsvorsitzende Interessantes aus einem längst vergangenen Alltag zu entdecken.

So war der wegen Trunkenheit bestrafte Müller kein Einzelfall. „Es waren schon Bazis“, sagt Regine Nägele. Die Strafen waren allerdings auch streng. „Heutzutage würden auch einige im Kälberkeller landen“, vermutet Bürgermeister Eichmann. Nägele wies ihn darauf hin, dass Bürgermeister in Friedberg früher jährlich gewählt und schon mal rausgeschmissen wurden.
Dies und noch viel mehr zwischen 1639 und 1855 kann man jetzt am Computerbildschirm nachlesen. Regine Nägele hat vieles wortwörtlich übertragen und eingetippt.

Ihr Sohn, Informatiker Ludwig Nägele, hat seiner Mutter zu Weihnachten die Programmierung geschenkt, mit deren Hilfe jeder die verfügbaren Datensätze durchstöbern kann. Zum Beispiel könnten alteingesessene Friedberger Familien suchen, was ihre Vorfahren getrieben haben.

Das fand Bürgermeister Eichmann schon beim flüchtigen Durchsehen amüsant: „Darin kann man sich verlieren.“ Und Eichmann kann sich vorstellen, welche „Wahnsinnsarbeit“ Regine Nägele dafür geleistet hat: „Die vielen Stunden habe sie nicht gezählt.“

Die Handschriften aus Stadtarchiv und Heimatvereinsbücherei können durchsucht werden im Internet unter www.heimatverein-friedberg.de

Andreas Schmidt, © Friedberger Allgemeine

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