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Als Wölfe ihr Unwesen trieben

Geschichte/Landesausstellung: Kürzlich riss ein Wolf im Landkreis Aichach-Friedberg mehrere Schafe. Ein Exponat der Bayerischen Landesausstellung im Friedberger Schloss zeigt: Einst waren die Tiere eine ständige Gefahr

10.10.2020

Als Wölfe ihr Unwesen trieben

Im Vordergrund des sogenannen Schweiger-Reliefs ist eine kurfürstliche Jagd im Hirschwald dargestellt. Darüber, fast unscheinbar, finden sich Schafe in einer Hürde. Wölfe haben es auf sie abgesehen. Mutig verteidigt der Hirte seine Herde gegen die wilden Räuber. Bildnachweis: Schweiger-Relief (Bildausschnitt) Stadtmuseum Amberg, Foto: Wolfgang Steinbacher.

Sie fällt fast nicht auf, die gefährliche Szene in dem sogenannten Schweiger-Relief. Dieses zeigt die kurfürstliche Stadt Amberg mit Umgebung. In der Bildmitte nähert sich ein kurfürstlicher Reiterzug der Stadt mit dem pfälzischen Landesherrn an der Spitze. Im Vordergrund ist eine kurfürstliche Jagd im Hirschwald dargestellt. Darüber, fast unscheinbar, finden sich Schafe in einer Hürde. Wölfe haben es auf sie abgesehen. Mutig verteidigt der Hirte seine Herde gegen die wilden Räuber.
Das Steinrelief ist derzeit im Wittelsbacher Schloss in Friedberg in der Landesausstellung „Stadt befreit. Wittelsbacher Gründerstädte“ ausgestellt. Stolz waren die Landesherrn auf ihre Städte und ließen sie deshalb in vielfältiger Weise abbilden. Davon zeugen die ausgestellten Stadtansichten des 16. Jahrhunderts in der Ausstellung. So auch diese Arbeit des Zimmermeisters Georg Schweiger (1550-1614) für Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz.
Es gab sie, die reißenden Wölfe, die nicht nur das Nutzvieh anfielen, sondern auch dem Menschen selbst gefährlich werden konnten. Davon zeugt die Inschrift einer Votivtafel in der Wallfahrtskirche Maria im Sand im Mainfränkischen Dettelbach: „Anno 1506 23 July Richardus Schiller von Bibergau 5 Jahre alt von einem Wolff geraubet wird durch fürbitt der Heiligen Mutter Gottes zu Dettelbach ohne verleZung seiner gesundheit Restituiert."
Auch im Raum Friedberg trieben Wölfe einst ihr Unwesen. Schriftliche Belege darüber finden sich erst gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges und der Zeit danach. In diesem unseligen Krieg wurde die Stadt Friedberg ausgeraubt und zweimal durch Brand verwüstet. Schriftgut und damit auch fast die gesamte Registratur fielen diesen Heimsuchungen zum Opfer. Doch auch kurz nach Kriegsende waren die Zeiten schlecht. Kein Haus war in Friedberg noch richtig aufgebaut. Die Menschen hausten in schlechten Hütten und sie hungerten. Die Pest, die die Friedberger 1650 überwunden hatten, flackerte in der Umgebung wieder auf. Räuber machten die Gegend unsicher. Mutige Bürger entsandte die Stadt auf Stadtkosten zum Hochzoll und an den Lech um dort nach dem Rechten zu sehen.
Ebenfalls aus städtischen Geldern erhielt um diese Zeit der Jägerknecht ein Trinkgeld und ein weiteres mal eine „Verehrung“ in Geld, weil er zwei Wölfe tot geschossen hatte. Man hatte Angst vor diesem gefährlichen Räuber, der sich an den Nutztieren, vor allem an den Schafen gütlich tat, um seinen Hunger zu stillen. Er schmälerte dadurch erheblich die Nahrungsgrundlage der Menschen, die in dieser schlechten Zeit sich nur mühselig ernähren konnten. Offenbar streiften ganze Rudel durch das Land. Gegen diese ging man organisiert vor. So lassen es jedenfalls Eintragungen in den Stadtkammerrechnungen der Jahre 1669 und 1670 vermuten. Demnach zog ein „Ausschuss“ von Bürgern mit Listen aus der Stadtschreiberei, die für den Forstmeister bestimmt waren, mehrmals hinaus zur Wolfsjagd, unter anderem bis nach Rehling. Ab 1671 finden sich keine entsprechenden Ausgaben für Wolfsjagden mehr. Die Bedrohung durch Wölfe war in unserer Gegend offenbar gebannt.
Schon in der Bibel gilt der Wolf als Symbol der Bedrohung. Es gibt Warnungen im Neuen Testament. Eine davon lautet: „Hütet euch vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig sind wie reißende Wölfe“ (Mt7, 15). Die im Schweiger-Relief dargestellte bedrohliche Wolfsszene ist eine biblische. Christus als der gute Hirte schützt seine Schafe vor den wilden Angreifern. Was hat der Künstler damit ausdrücken wollen? Es herrschten in der Pfalz zu jener Zeit die Pfälzer Kurfürsten aus dem Haus Wittelsbach mit der Residenzstadt Heidelberg. Amberg als Zentrum der pfälzischen Besitzungen in der – aus Heidelberger Sicht - „heroberen Pfalz in Bayern“ (Oberpfalz) war zum Luthertum übergetreten. Der Heidelberger Hof versuchte über Jahre hinweg mit gewaltsamen Mitteln das Luthertum in Amberg zu bekämpfen und die calvinistisch-reformierte Kirche durchzusetzen.
Über diese Wolfsszene schreibt im Katalog zur diesjährigen Landesausstellung Peter Wolf vom Haus der Bayerischen Geschichte: „Sollte jene kampfbetonte Verteidigung der Schafe gegen die von außen andringenden Wölfe, […] nicht etwa auf die vom Landesherrn geförderten reformierten Prediger aus der Pfalz gemünzt sein?“ Treffend fügt er hinzu: „Stadtansichten können sehr politisch sein...“.

Regine Nägele, © Friedberger Allgemeine

Verlinkt zur Veranstaltung: Führung durch die Landesausstellung in Friedberg (13.10.2020, 13:00 Uhr)

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