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Kontaktsperre in Zeiten der Pest - Serie Teil 2

Schon im 17. Jahrhudert wollte Kurfürst Maximilien I. die Ausbreitug der ansteckenden Krankheit verhindern. Vieles erinnert an die Corona-Vorkehrungen

29.04.2020

Kontaktsperre in Zeiten der Pest  - Serie Teil 2

Die drei Ruten Gottes: Pest, Hunger und Krieg oder wie es der Kurfürst ausdrückt: "Pestilentzische Sucht", die Teuerung und die in- und ausländische Kriegsempörung. Der Kupferstich von 1630 von Raphael Custos zeigt im Hintergrund das mittelalterliche Friedberg vor seiner Zerstörugng 1632. Bild: Staats- und Stadtbibliothek Augsburg.

Es muss ein grauenhafter Anblick gewesen sein, als die ausgemergelten Überlebenden nach fast drei Jahren der Flucht wieder in ihre Heimatstadt Friedberg zurückkehren konnten. Im Juli 1632 waren die Stadt Friedberg durch Schweden und Augsburger Protestanten erobert und die Männer, derer sie habhaft werden konnten, niedergemetzelt worden. Nach Plünderung und Vertreibung brannte die Stadt eine ganze Woche lang. Niemand wagte sich bis zum Abzug der Schweden im Frühjahr 1635 in die ausgebrannte Stadt, weil es immer wieder die gefürchteten Ausfälle des Feindes von Augsburg aus in das Umland gab.

Dass es ab September 1635 wieder Leben in der Ruinenstadt Friedberg gab, wissen wir von dem Pfarrverweser Martino Gassner, der ab September Taufen, Hochzeiten und Sterbefälle aufzeichnete. Auffällig ist, dass im Dezember 1635 innerhalb kurzer Zeit drei Geschwister verstarben. Damals grassierte die Pest, und vermutlich sind nicht nur sie Opfer dieser Seuche geworden. Wahrscheinlich erlag auch Martino Gassner bald dieser Krankheit.

Der bayerische Kurfürst Maximilian I. hatte bereits am 19. August 1634 wegen der immer weiter um sich greifenden Seuche das „Pestmandat“ erlassen. Man hatte damals keine Ahnung, dass der Auslöser der Pest ein Bakterium ist. Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts entdeckte der schweizerisch-französische Arzt und Bakteriologe Alexandre Yersin das nach ihm benannte Bakterium Yersinia pestis. Dieses kommt hauptsächlich in Nagetieren vor und kann von deren Flöhen auf den Menschen übertragen werden. Man wusste aber seit jeher schon um die hohe Ansteckungsgefahr von Mensch zu Mensch und vermutete auch, verpestete oder unsaubere Luft würde ansteckend wirken.

Für den Kurfürsten stand die eigentliche Ursache dieser Krankheit fest: Der Höchste schicke die „Pestilentzische Sucht“, die Teuerung und die in- und ausländische „Kriegsempörung“, weil die Menschen ein sündhaftes Leben führten. So wird im Pestmandat den Untertanen als Erstes vorgehalten, dass sie das furchtbare Übel selbst verursacht hätten. Als tiefgläubiger Katholik befahl der Kurfürst, Reue und Buße zu tun und den Allmächtigen geläuterten Herzens zu bitten, die Not zu wenden. Um der Ansteckungsgefahr zu begegnen, wurden 15 konkrete Anordnungen bzw. Befehle zu den Bereichen Sauberkeit, Isolierung der Erkrankten und Ernährung erlassen. Das Pestmandat vermittelt somit auch den damaligen medizinischen Wissensstand.

Auf Sauberkeit und Reinlichkeit, auch der Luft, war streng zu achten. Gerade Harn oder andere „Unsauberkeit“ würden durch den üblen „Geschmack“ die Luft vergiften. Sie dürften nicht auf die Straße geschüttet werden. Sie mussten in die fließenden Bäche hinein oder in den Abort. Eben da hinein gehörte auch alles Blut, das bei den adern, Barbierern oder in andern Häusern vom Aderlassen, als Behandlungsart ausdrücklich empfohlen, herrührte. Leib- oder Bettgewand der Pesttoten durfte in den Bächen nicht gewaschen werden, sondern gehörten gleich verbrannt. Offenbar wurde die Wäsche vielfach weiter benutzt oder durch Händler verkauft. Auf den Straßen gehörte der Mist immer wieder weggeräumt. Tote Hunde,Katzen und Ungeziefer mussten wegen gefährlicher Luftverpestung sofort hinweggetan werden. Des Weiteren durfte die kranke Person einen Monat lang nicht aus ihrer Behausung, ebenso die Personen, die im selben Haushalt lebten. Sie mussten nach dem Tod des Pestopfers noch 14 Tage in der Behausung verharren. Niemand durfte eine infizierte Person, die von außen aufnehmen. Selbst dann nicht, wenn es sich um hilfesuchende nahe wie Eltern oder Kinder handelte. Wurde jemand bei Zuwiderhandlung erwischt, riskierte er eine öffentliche Schandstrafe, ja sogar die Todesstrafe.

Überhaupt sollten alle Übertretungen des Pestmandats der örtlichen Obrigkeit gemeldet werden. Als Belohnung winkte ein Teil des Strafgeldes, das dem Delinquenten abgeknöpft wurde. Von der örtlichen Obrigkeit extra vereidigte Personen mussten die Pflege und die Beerdigung der Pestkranken übernehmen. Hochzeiten und andere „Ladschaften“ waren verboten.

Da, wo die Pest ausgebrochen war, war der Verzehr von Haselnüssen, von unreifem, wurmbefallenen Obst und von Pfifferlingen verboten. Den Gelehrten galten sie als krankheitsfördernd. Das galt auch für Branntwein oder Weizenbier.

Hat man in Friedberg wirklich auf den Verzehr dieser verbotenen Lebensmittel verzichtet? Oder „scherte man sich einen Pfifferling darum“, weil die Not so groß war? Quellen berichten, dass in Augsburg im Hungerwinter 1634/35 trotz Pest nicht einmal vor dem Verzehr von Gras und von Leichen haltgemacht wurde.

Regine Nägele, © Friedberger Allgemeine

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