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Wie der schwarze Mann nach Friedberg kam - Serie Teil 1

Immer wieder wurde die Stadt von der Pest heimgesucht. Ein Kinderspiel erinnert noch heute daran, wie anstekcend und gefährlich die Krankheit war.

22.04.2020

Wie der schwarze Mann nach Friedberg kam - Serie Teil 1

Im Pestjahr 1599 gelobten die Friedberger, Maria ein Denkmal zu setzen. Foto: Rudolf Nägele

Wer kennt nicht dieses beliebte Fangspiel aus Kindertagen! Dabei stehen mehrere Kinder in sicherer Entfernung dem „schwarzen Mann“ gegenüber. Wenn dieser laut ruft: „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?“, dann schreien die anderen zurück: „Niemand!“. Daraufhin brüllt der „schwarze Mann“: „Wenn er aber kommt?“. Die lautstarke Antwort der Meute lautet: „Dann laufen wir davon!“. Und schon rennen sie unter großem Geschrei los zur gegenüberliegenden Seite. Der „schwarze Mann“ versucht dabei, ein oder mehrere Kinder zu erwischen bzw. abzuklatschen, die dann für den nächsten Durchgang seine Helfershelfer werden. Das Kind, das als letztes unbeschadet die andere Seite erreicht, ist der nächste „schwarze Mann“.
Dieses Spiel hat einen historischen Hintergrund. In Pestzeiten war der „schwarze Mann“ der Totengräber. Um mit den Pesttoten nicht in unmittelbaren Kontakt zu kommen, trug er schwarze Handschuhe, einen schwarzen langen Mantel mit einer schwarzen Kapuze. Schon die äußere Erscheinung wirkte furchteinflößend, aber besonders aus Angst vor Ansteckung mied man den „schwarzen Mann“. Vor allem über italienische Hafenstädte und Handelswege über Lucca und Florenz gelangte im 14. Jahrhundert die ansteckende Krankheit nach Europa und damit auch nach Deutschland. Hinzu kam das immer wieder regional begrenzte Aufflackern der Seuche. Europa wurde in unterschiedlichen Abständen bis zum 18. Jahrhundert von der Pest heimgesucht, so auch Friedberg.
Das schlimme Pestjahr 1599 in Friedberg führte zur Anlage des Friedhofs beim Kirchlein St. Stephan vor den Toren der Stadt im Süden. Hier wurden von nun an die Pesttoten beerdigt. Hilflos waren die Menschen der Pest ausgeliefert. In ihrer Not sahen die Menschen keine andere Möglichkeit, als sich mit flehentlichen Bitten um Erlösung an den Schöpfer und an die Mutter Gottes zu wenden. Voller Vertrauen legten Menschen Gelübde ab, damit nur ja die fast ein ganzes Jahr währende schlimme Seuche ein Ende fände.
So gelobte man Maria ein Denkmal zu setzen. Dies geschah mit dem Bau der Mariensäule mitten in der Stadt „Am Platz“. Wegen der Mariensäule wurde eigens dieser Platz 1914 in Marienplatz umbenannt. Außerdem gelobten die Bürger im Schreckensjahr 1599, in dem offenbar die Hälfte der Friedberger Bevölkerung ein Opfer der Seuche wurde, jedes Jahre eine Wallfahrt nach Andechs zu unternehmen. Wahrscheinlich erfuhr die Wallfahrt eine Unterbrechung in Kriegszeiten. So lassen die Schilderungen des Abtes vom Kloster Andechs, Maurus Friesenegger, den Schluss zu, dass während mancher Jahre des Dreißigjährigen Krieges eine Wallfahrt unmöglich war. Er berichtet in seinen Aufzeichnungen von den Leiden seiner Untertanen durch Pest, Hunger, Plünderungen und Greueltaten der Feinde, von der Verheerung seines Klosters und von Flucht.

Auch im Jahr 2020 gibt es wieder eine Unterbrechung. Einst wurde die alljährlich gelobte Wallfahrt zum Heiligen Berg Andechs wegen einer Seuche eingeführt. Geradezu paradox erscheint es, dass heuer wegen einer anderen Seuche die Wallfahrt wie gewohnt nicht stattfinden kann.

Regine Nägele, © Friedberger Allgemeine

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