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Vom Kriminalfall zur Stadt

Regine Nägele berichtet über Machenschaften von Herzögen, die das steirische und bayerische Friedberg gründeten

03.01.2013

Vom Kriminalfall zur Stadt

Friedberg Kriminell ging es zu, als die Vorsitzende des Friedberger Heimatvereins, Regine Nägele, beim heimatkundlichen Stammtisch über die Geschichte der beiden Partnerstädte Friedberg/Bayern und Friedberg/Steiermark berichtete. Dieser gut besuchte Vortrag mit dem
Titel "Vom Kriminalfall zur Stadt" passte auch zur Fahrt des Friedberger Heimatvereins im vergangenen September ins steirische Friedberg.

Regine Nägele zeichnete folgendes Geschichtsbild: Als Kaiser Barbarossa 1180 Heinrich den Löwen absetzte und an seine Stelle den gefolgsamen Wittelsbacher Grafen Otto als Herzog von Bayern einsetzte, war die Zeit der fremden Herzöge für Bayern endgültig vorbei. Die Wittelsbacher regierten mehr als 750 Jahre bis zum Jahr 1918.
Otto war nicht der stärkste bayerische Edelmann. Gegen die Herren von Andechs oder die Grafen von Bogen war er nur ein politischer Zwerg. Aber die Großen Bayerns wollte Barbarossa auch gar nicht zu Herzögen küren, konnten sie ihm doch eines Tages gefährlich werden. Waren zuvor schon Kärnten und „Austria“ als selbstständige Herzogtümer vom bayerischen Mutterland ausgeschieden, so wurde nun auch die bisher bayerische Steiermark 1180 zum selbstständigen Herzogtum erklärt. Der gemeinsamen Anfänge ist man sich heute kaum noch bewusst.

Auch in der Entstehungungsgeschichte der beiden Städte Friedberg gibt es Gemeinsamkeiten. Beide Städte wurden bei einer Burg als Grenzstädte zum Schutz der Grenze und des Handels angelegt und beide gründen sich auf einen Kriminalfall.

1192, zwei Jahre vor Gründung der steiermärkischen Stadt Friedberg im Jahr 1194, war König Richard Löwenherz von England aufgrund widriger Umstände gezwungen, bei der Heimreise vom Heiligen Land nach England durch das Land seines Widersachers, Herzog Leopold von Österreich und Steiermark zu reisen. Obwohl sich Richard Löwenherz, der mit einer kleinen Gefolgschaft unterwegs war, als Pilger ausgab, wurde er erkannt und in der Nähe von Wien gefangen genommen. Das erpresste Lösegeld für die Freilassung von Richard Löwenherz verwendete Herzog Leopold u. a. zur Gründung der Städte Wiener Neustadt, 50 Kilometer südlich von Wien, und Friedberg. Somit geht die Entstehung von Friedberg/Steiermark auf einen Kriminalfall zurück.

Die Gründung des bayerischen Friedbergs war planmäßig, wie alle anderen Stadtgründungen der Wittelsbacher zuvor. Allerdings bezieht sich der Kriminalfall nicht auf die erste Stadtgründung Friedbergs im Jahr 1264, sondern auf die zweite durch Herzog Ludwig im Barte in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts.

Hatten der Salzhandel und der Zoll bei Friedberg den Herzögen Geld eingebracht, so führte dies zu kriegerischen Konflikten mit Augsburg. Friedberg wurde mehrmals niedergebrannt. Wirtschaftlich ging es mit Friedberg bergab. Ab 1329 wurde das ganze 14. Jahrhundert hindurch Friedberg von den Herzögen wegen der geringen Steuerertragskraft nur noch als „Markt“ bezeichnet.

Ständige Konflikte mit den wittelsbachischen Verwandten

Im Jahr 1392 kam aufgrund der Landesteilungen Burg und Markt Friedberg zum Herzogtum Bayern-Ingolstadt. Der ab 1413 herrschende Herzog Ludwig VII. von Bayern-Ingolstadt, wegen seines Bartes auch Ludwig der Gebartete genannt, war ein widersprüchlicher und streitbarer Charakter. Es kam zu ständigen Konflikten Ludwigs mit seinen wittelsbachischen Verwandten.

Um Übergriffe abzuwehren, musste er seine Städte befestigen. So ließ er auch Friedberg mit festen Mauern, Wehrtürmen, Wall und Graben umgeben. Die heutige Anlage der Altstadt entstand nach seinen Angaben. Er bestätigte einen Wochenmarkt und drei Jahrmärkte und er verlieh der Stadt ein neues Stadtrecht. Er verlegte die Salzstraße vom Lechfeld weg durch Friedberg hindurch und ließ in Friedberg einen Salzstadel bauen. Außerdem machte er Friedberg zum Sitz eines eigenen Landgerichts.

Er wird somit als der zweite Stadtgründer Friedbergs bezeichnet und auf die zweite Stadtgründung bezieht sich der Kriminalfall. Um die Stadt zu besiedeln, ließ er mit Gewalt Untertanen auswärtiger Klöster einfangen und nach Friedberg verschleppen. Um ihnen das Bleiben in der Stadt schmackhaft zu machen, verlieh er ihnen das Bürgerrecht.

Kurze Zeit vorher hatte allerdings Prof. Wilhelm Liebhart in einem Gespräch mit der Vorsitzenden Regine Nägele erklärt, dass der in der Literatur geschilderte „Kriminalfall bei der zweiten Stadtgründung“ sich so nicht zugetragen habe. Prof. Liebhart erklärte sich bereit, im neuen Jahr beim heimatkundlichen Stammtisch zu berichten, wie sich Ludwig der Gebartete bei der zweiten Stadtgründung wirklich verhalten hat.

Regine Nägele, © Friedberger Allgemeine

Verlinkt zur Veranstaltung: Mehrtagesreise nach Friedberg/Steiermark in Österreich (06.09.2012 - 09.09.2012)

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