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Der Kenner weiß, was ein Werk des Meisters ist

Eskursion: Ein begeisterter Kunstliebhaber bringt Friedbergern einen bayerischen Barockbildhauer nahe. Wo ein Blick in Kirchen besonders lohnt

21.08.2015

Der Kenner weiß, was ein Werk des Meisters ist

Der heilige Thomas in der Kirche in Rederzhausen gilt als schönste und reifste Fitur von Lorenz Luidl im Landkreis Aichach-Friedberg. Foto: Pia Wernthaler.

Der Jurist und begeisterte Kunstliebhaber Dr. Köhler gab dem Heimatverein Friedberg einen Einblick über Leben und Werke der aus Mering stammenden Barockschnitzerfamilie Luidl. Nach einem fulminanten Vortrag am heimatkundlichen Stammtisch führte er ein paar Tage später in einer Tagesexkursion direkt zu den Luidl-Werken in unserem Landkreis. Es wurden die Orte Hörmannsberg, Ziegelbach, Paar, Rederzhausen, Schmiechen und Maria Kappel angefahren.

Bereitwillig öffneten die jeweiligen Mesner ihre Kirchenpforten für den Heimatverein. Dr. Köhler widmete sich hauptsächlich der Bildschnitzerkunst des Lorenz Luidl, der wegen seiner meisterhaften Kunstfertigkeit alle Mitglieder dieser Bildschnitzerfamilie bei weitem übertraf.

Über mehrere Generationen lassen sich die Luidls nachweisen, beginnend mit dem Ende des 16. Jahrhunderts bis hin zum Jahre 1809. Der Niedergang dieser Zunft erfolgte allgemein durch die nun einsetzende Maschinenschnitzerei und den nachlassenden Bedarf für neuen Kirchenschmuck.

Man staunt, welche ungeahnten barocken Kunstschätze sich in unserem Landkreis in den kleinen Kirchen befinden. Den meisten dürfte bisher kaum bewusst sein, dass gerade Künstlerfamilien der näheren Umgebung Aufträge erhielten, die vor allem nach dem 30jährigen Krieg die verwüsteten und wieder aufgebauten Kirchen und Kapellen mit neuen Schnitzereien ausstatteten. Manchem Mitglied dieser Familien gelang der Aufstieg vom Gelegenheitsschnitzer, der hauptsächlich von seiner kleinbäuerlichen Landwirtschaft leben musste, zum Inhaber einer eigenen, manches Mal höchst florierenden Werkstatt. Für Friedberg sind hier zu nennen die Öberl und für den kurbayerischen Marktort Mering die Luidls.

Vermutlich wegen der unsicheren Zeiten während des Dreißigjährigen Krieges ist das Geburtsjahr des Lorenz Luidl nicht festgehalten. Man vermutet das Jahr 1645. Sicher ist, dass er in Mering geboren wurde. Die Vorfahren hatten neben einer kleinen Landwirtschaft später auch das Mesneramt inne. Gelegentliche volkstümliche Schnitzarbeit dürfte das Einkommen aufgebessert haben. In der vierten Generation endlich findet sich besagter Lorenz Luidl, Sohn des bereits als Bildhauer bezeichneten Michael Luidl (1627-1683). Da nur immer einer der Söhne wegen der strengen Zunftreglementierungen die Werkstatt übernehmen konnte, suchte Lorenz neben weiteren Brüdern sein Glück in der Ferne. Lorenz kam, wie es damals üblich war, wohl mit 14 Jahren in die Lehre. Nach 6 Jahren Lehrzeit in Weilheim bei dem bedeutenden Bildhauermeister David Degler (um 1605-1682) kam er zu Meisterwürden und erwarb 1686 das Bürgerrecht und die Bildhauergerechtigkeit in Landsberg am Lech, wo er Maria Miller, die Tochter des Stadtbleichers, ehelichte. Mit ihr hatte er fünf Kinder. Seine Söhne bildete er zu Bildhauern aus, dazu noch seinen Bruder und zwei Cousins. Die Neuausstattung der Pfarrkirche in Landsberg und zahlreiche weitere Aufträge führten zu einer florierenden Werkstatt, die ihm Wohlstand einbrachte. Er wurde zudem als geachteter Meister in den äußeren Rat der Stadt Landsberg gewählt und heiratete nach dem Tod seiner Frau ein zweites Mal. Aus dieser Ehe gingen 9 Kinder hervor, von denen wiederum einige sich zu Bildhauern ausbilden ließen. 90 Jahre blieb die Werkstatt in Landsberg im Familienbesitz.

In dieser Werkstatt dürften, wie es bei großen Werkstätten üblich war, mehrere Gesellen gearbeitet haben. Die Regel war rbeitsteiliges Vorgehen. Lehrlinge und Gesellen schnitzten mehr oder weniger selbständig die ausgehöhlten Rohfiguren, während der Meister letzte Hand anlegte. Doch auch nicht immer tat das Lorenz Luidl selbst. So kommt es nicht selten zu deutlichen Schwankungen in der Qualität. Insgesamt ist es im Einzelfall manchmal sehr schwer zu beurteilen, ob es sich um eine Werkstattarbeit oder um ein Werk des Meisters selbst handelt.

Die schönste und reifste Figur im Landkreis, die man wegen der meisterhaften Vollkommenheit Lorenz Luidl zuschreibt, ist der „Thomas von Rederzhausen“ in der dortigen Kirche. Sehr geschickt verdeutlichte Dr. Köhler nun den Unterschied zu einer nur Luidl-Werkstattarbeit am Beispiel der Sitzfigur des Hl. Leonhard in Rederzhausen. Zu grob die Arbeit, zu wenig bewegend der Faltenwurf. Betrachtet man sich nur die Hände, so bemerkt man, dass sie im Verhältnis zur Gesamtperson zu groß geraten sind. Im Vergleich zum Meisterwerk von Lorenz Luidl ist der Faltenwurf zu wenig bewegt, wie überhaupt die Person in ihren Dimensionen nicht stimmig ist. Ansonsten gibt es keine Sitzfigur von Lorenz Luidl im Landkreis.

Der einzige "Apostelzyklus“ im Landkreis, der wirklich unter Mitwirkung von Lorenz Luidl geschaffen worden ist, befindet sich in Schmiechen. Alle seine Figuren sind so gestaltet, dass sie den Betrachter auffordern, zu kommen, weil es etwas zu erzählen gibt. Beim Apostelzyklus nimmt Luidl Männer aus dem Volk, damit die Menschen sich darin wiedererkennen können. Schließlich waren die Apostel auch nur einfache Leute. Immer strahlen die Figuren Ruhe, Zuversicht und Glauben aus. Luidl wollte offenbar als tiefgläubiger Christ durch seine geschnitzten Figuren dem Betrachter eine Botschaft vermitteln. Sie ist im Grunde genommen immer die gleiche: Den Menschen zu zeigen, dafür zu werben, dass es Erlösung, Befreiung hin zum Guten für jeden Menschen gibt.

Seit der Barockzeit gesellte sich zu den 12 Aposteln als zusätzliche Heilsfigur der Salvator (von lat. salvator ‚Retter, Heiler‘) hinzu, der den Heiland Christus darstellt. Da er in Schmiechen aus Platzgründen nicht in die Apostelgruppe integriert werden konnte, befindet er sich als Altarfigur am nördlichen Seitenaltar. Er ist dargestellt als Weltenherr mit einer Weltkugel in der Hand. Die zwei nach oben zeigenden Finger deuten die Segensgeste an.

Die farbige Ausgestaltung dieser schönen Schnitzereien durften wegen der strengen Zunftordnung allerdings nicht vom Meister oder seiner Werkstatt vorgenommen werden. Die „Fassung“, das heißt die Bemalung und Vergoldung, die den Holzplastiken ihr endgültiges Aussehen verlieh, wurde durch die sog. Fassmaler getätigt. Leider scheint nicht bekannt zu sein, wer bei den Luidl-Werken, die der Heimatverein an diesem Tage besuchte, die Holzplastiken einst gefasst hatte.

Die Tagesfahrt konnte nur einen kleinen Teil der Schöpfungen von Lorenz Luidl zeigen. Die Fülle seiner Werke dürften etwa 650 Objekte umfassen, die er in seiner Werkstatt schuf. Mit seinen Werken, die im südwestlichen Bayern keine Konkurrenz zu scheuen brauchten, belieferte Lorenz Luidl das Gebiet von Garmisch bis an die Donau, im Westen bis Meitingen und im Osten bis hinein ins westliche Oberbayern.

Dem gebürtigen Meringer Luidl ist es zu verdanken, dass er mit seiner Werkstatt in Landsberg ein neues Zentrum der südwestbayerischen volkstümlichen Bildschnitzerkunst geschaffen hat. Überdies sorgen seine meisterlichen Holzfiguren für eine wunderschöne Ausschmückung in einigen Kirchen in unserem Landkreis.

Regine Nägele, © Friedberger Allgemeine

Verlinkt zur Veranstaltung: Landkreisfahrt zu Werken von Lorenz Luidl (25.07.2015, 09:45 Uhr)

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