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Friedberg litt unter Napoleon

Beim heimatkundlichen Stammtisch wurde deutlich, wie sehr sich Bayern durch den großen Franzosen verändert hat

11.07.2015

Friedberg litt unter Napoleon

Es waren gefährliche Zeiten und vor Übergriffen konnte man sich nicht sicher sein, wie das Schicksal des Michelbauern Johannes Müller von Rettenberg belegt. Doch der Ast, an den die drei französischen Husaren den armen Bauern aufknüpften, brach ab, nachdem er in Todesnot zu Unseres Herrn in der Ruhe und zur heiligen Barbara um Hilfe gefleht hatte. Er war gerettet. Das Foto zeigt die Darstellung am Marterl am Heimatshauser Weg. Foto: Ingo Aigner.

Über die verwirrenden Kriegsverläufe im Napoleonischen Zeitalter und die Folgen für Bayern sprach Prof. Dr. Wilhelm Liebhart beim heimatkundlichen Stammtisch des Heimatvereins. Diese Veranstaltung diente auch zur Vorinformation für den im Herbst geplanten Besuch der Landesausstellung in Ingolstadt.

Bayern geriet nicht zum ersten mal in seiner Geschichte in den Strudel der Auseinandersetzungen zwischen Frankreich und Österreich. Verheerend waren die Folgen auch für die bayerische Grenzstadt Friedberg.
Der 24. August 1796 war ein schlimmer Tag für Friedberg. Nach einer 7stündigen Kanonade eroberten französische Truppen die Stadt. Die Kaiserlichen, die heftig Widerstand leisteten, wichen zurück. Kaum war die Stadt durch die Franzosen erobert, setzte eine Plünderungswelle ein. Die Friedberger hatten die Lasten der Einquartierungen und der fortwährenden Erpressungen zu ertragen. Man drohte, bei Nichterfüllung der Forderungen die Stadt anzuzünden und sogar den Bürgermeister aufzuhängen. Monate später eroberten wiederum die Kaiserlichen die Stadt.

Friedberg wurde ihr Hauptquartier, verbunden mit Truppendurchzügen, Einquartierungen von mehreren Zigtausend Soldaten und Pferden. In der Folge kam es zu Epidemien in der Bevölkerung und Viehseuchen. Die Leiden der Menschen waren damit aber noch lange nicht zu Ende. Als Napoleon von der Einnahme Münchens im Juli 1800 durch seine Truppen erfuhr, äußerte er: Der bayerische Kurfürst hätte fühlen müssen, dass die französische Republik die einzige Macht sei, die Bayern gegen Österreich zu beschützen vermag.

Doch dem bayerischen Kurfürsten Max IV. Joseph war nichts anderes übrig geblieben, als sich dem russisch-österreichischen Druck zu beugen. Der vorherige bayerisch-pfälzische Kurfürst Karl-Theodor hatte sich mit Österreich verschworen. Nach seinem Tod im Februar 1799 war der neue Kurfürst Max der Regent eines verarmten und gänzlich heruntergekommenen Landes. Österreichische Truppen lagen in Bayern, die auf Kosten der Bevölkerung versorgt werden mussten, und der österreichische Kaiser hatte das Sagen. Obwohl Max sich Frankreich verbunden fühlte, war er gezwungen, an der Seite Österreichs gegen die Franzosen zu kämpfen. Bayern konnte sich auch nicht neutral verhalten, da es genau zwischen den kriegsführenden Parteien Frankreich und Österreich lag. Mit Österreich versuchten ebenfalls weitere Länder wie Russland, England, das Osmanische Reich und schließlich auch noch Schweden, Frankreich niederzuringen.

Unübersichtlich ist jene napoleonische Zeit mit ihren Koalitionskriegen, in der ein Feldzug den anderen ablöste und sich danach stets die politische Situation und damit auch die Landkarte änderte.

Bayern verlor endgültig die rechtsrheinische Kurpfalz, die jahrhundertelang in wittelsbachischem Besitz war. Sein Sohn Ludwig, der spätere König Ludwig I. von Bayern, hat diesen Verlust zeitlebens betrauert, waren doch Mannheim, Heidelberg und Schwetzingen die Stätten seiner Kindheit. Zudem wurde die gesamte linksrheinische Pfalz von Frankreich eingenommen. Verloren schien damit auch das wittelsbachische Zweibrücken, aus dem der leutselige Max stammte. Der Verlust der Stammlande dürfte ausschlaggebend gewesen sein, dass der bayerische Kurfürst Max sein Glück nun bei den Franzosen suchte, da von den Österreichern nichts an Unterstützung zu erhoffen war, im Gegenteil, diese sogar Bayern in ihr Habsburgreich einzuverleiben trachteten.

Napoleon dagegen sicherte dem Kurfürsten seine Unterstützung zu. Und in der Tat erhielt Bayern für seine Verluste durch Napoleon neue Gebiete. Der bayerische Kurfürst wurde nun der neue Landesherr von etlichen Reichsabteien und Reichsstädten. Dazu wurden diese „mediatisiert“, d. h. sie verloren ihre unmittelbare Stellung unter dem Kaiser. Weiter erhielt Bayern als Entschädigung geistliche Staaten wie die Hochstifte Würzburg, Bamberg, Augsburg, Freising, Eichstätt und Passau. Sie wurden durch den bayerischen Staat enteignet und Bayern einverleibt. Die rechtliche Grundlage für diese sog. „Säkularisation“ bildete der Reichsdeputationshauptschluss vom 25. Februar 1803.

Der Bayerische Staat gewann allmählich im großen und ganzen seine heutige Form. Allerdings erst später, bereits in der Zeit der Verbannung Napoleons, wurde die linksrheinische Pfalz bayerisch und sollte es bis 1945 bleiben.

Napoleon war auf der Höhe seiner Macht und Herr Europas. Er hatte nur noch einen Gegner: Das Kaiserreich Rußland. Der Rußlandfeldzug 1812 aber überspannte die Kräfte Napoleons und läutete das Ende seiner Ära ein. Bayern zahlte einen hohen Blutzoll. Nur etwa 1000 der 36000 bayerischen Soldaten, die an dem Feldzug teilnehmen mussten, kehrten in ihre Heimat zurück. Schon forderte Napoleon ein neues bayerisches Kontingent für Rußland. Preußen rief zum Bündniswechsel auf. Österreich und andere folgten, so auch Bayern. In der Völkerschlacht bei Leipzig wurde Napoleon besiegt. Er konnte sein Schicksal nicht mehr wenden und dankte im April 1814 ab.

Durch Napoleon hatte sich die Landkarte Europas völlig verändert. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation mit dem Kaiser an der Spitze hatte aufgehört zu existieren. Zählte um 1800 das alte Reich 300 Länder, so waren es knapp 2 Jahrzehnte später nur noch 41. Das erste Mal in seiner Geschichte wurde das 1806 zum Königreich erhobene Bayern ein souveräner Staat.

Die neuen Staaten folgten nicht dem Beispiel der französischen Revolution, sondern ihre Regierungen brachten durch Reformen eine Umwälzung. Deren Ergebnisse kamen einer Revolution gleich. Revolutionär waren in Bayern die Aufhebung der Privilegien von Kirche und Adel und die eingeführte Gleichheit aller Staatsbürger. Die Verfassungen von 1808 und 1818 garantierten Grundrechte, politische Mitwirkung, religiöse Toleranz und Gleichstellung von Evangelischen und Katholischen. Initiator der Reform in Bayern war der allmächtige Minister Montgelas. Es ist sein Verdienst, dass die Reformen, bei allen Mängeln, während der bewegten Napoleon-Zeit friedlich auf den Weg gebracht wurden.

Regine Nägele, © Friedberger Allgemeine

Verlinkt zur Veranstaltung: Heimatkundlicher Stammtisch (18.05.2015, 19:00 Uhr)

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