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Glänzende Scherben waren eine Sensation
Aufmerksame Hobbyarchäologen entdeckten Überbleibsel römischer Töpfereien im Friedberger Hinterland
07.03.2015
In solchen spätrömischen Reibschüsseln wurden Kräuter oder Nüsse zerrieben und mit Öl und Essig für eine Soße vermischt. Foto: Volker Babucke
Die Tonscherben waren 1973 aufsehenerregend. Angedeutet hatte sich das zunächst nicht. Helmut Stickroth, damaliger Vorsitzender des Heimatvereins Friedberg, hatte bei Stätzling die Fundstücke entdeckt. Erdarbeiten zum Bau einer Kanalisation hatten die Scherben ans Tageslicht gebracht. Eine Historikerin bescheinigte Stickroth, dass es sich um "barocke Scherben" handeln würde - nichts Besonderes also. Doch er und seine Frau hegten Zweifel und wandten sich darum an den Archäologen Günther Krahe. Der Leiter der Außenstelle Augsburg des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege betrachtete daraufhin eingehend die einseitig glasierten Tonscherben. Dieser zog einen weiteren Fachmann, Rainer Christlein, vom Landesamt für Denkmalpflege in München, hinzu sowie den jungen begabten Archäologiestudenten Wolfgang Czysz. Nein, so stellten die drei Archäologen übereinstimmend fest, die einseitig glänzenden Scherben stammten keineswegs aus der Barockzeit. Sie waren römisch. Die Sensation aus dem Jahr 1973 liegt mittlerweile 42 Jahre zurück.
Der damalige junge Archäologie-Student Czysz ist inzwischen im Ruhestand. Jetzt sprach der provinzial-römische Archäologe und ehemalige Leiter des Landesamtes für Denkmalpflege in Schwaben, Prof. Wolfgang Czysz, über die 1973 entdeckten und andere römische Scherben. Beim heimatkundlichen Stammtisch des Heimatvereins hielt er einen Vortrag zum Thema "Wasserfest und glänzend - Die römischen Töpfer im Friedberger Hinterland".
Bei den Erdarbeiten in Stätzling hatte man 1974 einen großen römischen Ziegelofen angeschnitten und untersucht. Zwar waren durch den Kanalbau die römischen Spuren ziemlich ramponiert worden, trotzdem barg Stickroth, der 1975 zum Ersten Vorstand des Heimatvereins und damit gleichzeitig zum ehrenamtlichen Leiter des Museums gewählt worden war, über Jahre hinweg bis zu 7000 Fragmente Keramik, darunter auch Glasurkeramik. Diese wurden von ihm fein säuberlich für das Friedberger Heimatmuseum inventarisiert.
Schon früher hatten sich Friedberger Heimatforscher auf Suche nach den Spuren der Römer begeben. Bereits 1925 entdeckten Friedrich Schuck, Erster Vorstand des Heimatvereins, der damals noch Historischer Verein hieß, und Museumskustos Hans Trinkl jun. bei Rohrbach eine römische Ziegelei. Wegen mangelnder Reisemittel konnte ein Vertreter des Landesamts für Denkmalpflege keine Ortsbesichtigung vornehmen und so geriet die Angelegenheit in Vergessenheit. Es war ein Glück, dass 1975 Oberstudienrat und Heimatvereinsmitglied Hubert Raab die Ziegelei wieder entdeckte und systematisch mit Stickroth lokalisierte. Das Landesamt für Denkmalpflege führte dann unter Mitwirkung von Wolfgang Czysz 1983 eine Rettungsgrabung durch, bei der ein Brennofen dokumentiert wurde.
Die Ziegeleien Stätzling und Rohrbach, die Prof. Czysz beim heimatkundlichen Stammtisch nun eigens vorstellte, stammten beide aus spätrömischer Zeit. Zuvor hatte die Bevölkerung Schreckliches erlebt. Durch die kriegerischen Auseinandersetzung im 3. Jahrhundert, in denen in immer kürzeren Abständen räuberische Germanenstämme durch Raetien bis nach Oberitalien raubend und plündernd gelangten, gab es unzählig viele Tote. Die Menschen flohen vom Land in den Schutz der größeren Städte. Das Wirtschaftsleben in Raetien brach zusammen.
Dennoch kam es in der Folge zu einem Wiederaufbau der verwüsteten Landstriche. Eine Stadt wie Augsburg benötigte landwirtschaftliche und handwerkliche Erzeugnisse. So wurde im Umland die landwirtschaftliche Produktion wieder angekurbelt. Um Baukeramik, wie Ziegel für Mauerbau, für Dachdeckung oder Unterfußbodenheizung herstellen zu können, kam es im späten dritten oder im vierten Jahrhundert im Friedberger Hinterland zur Gründung von Ziegeleien in Stätzling und Rohrbach.
Die Römer nutzten hier östlich des Lechs die natürlichen Voraussetzungen für die Herstellung von Keramik. In einer Höhenlage von 520 m fanden sie sehr nahe an der Oberfläche durchgehend gute Tone vor, die einen idealen Grundstoff für die Keramikherstellung bildeten. Zudem lieferte das waldreiche Friedberger Hinterland noch genügend Brennholz für den Brennofen. Im Gegensatz dazu war die natürliche Bewaldung in den Lech- und Wertachauen im direkten Umkreis der Provinzhauptstadt durch den enormen Bedarf an Bau- und Brennholz erheblich reduziert worden.
Da in den Wirrnissen die herkömmlichen Töpfereien zugrunde gegangen waren, stellte man in Stätzling und Rohrbach neben den Ziegeln auch Gebrauchskeramik, vornehmlich Reibschüsseln in unterschiedlicher Größe her. Diese spätrömischen Reibschüsseln waren mit Kragenrand versehen, um sie besser festhalten zu können. Die Innenfläche war körnig und nicht ganz bis zum Rand mit einer glänzenden braunen bis olivfarbigen Bleiglasur überzogen. Die Körnung diente als Reibfläche zur Herstellung der beliebten Soßen. Mit einem Stößel wurden Kräuter oder auch Nüsse zerrieben und mit Öl und Essig vermischt. Die Reibschüssel benutzen die Römer auch gern zum Mischen von Speisen.
Das herkömmliche Tongeschirr war im Gegensatz zur glasierten Ware nicht wasserdicht und zudem wegen der rauen Oberfläche nur schwer zu reinigen. Die aus Bleioxid gewonnene, glänzende Glasur, die bei den Reibschüsseln zur Härtung der Reibfläche diente, war im Friedberger Hinterland vorher überhaupt noch nie verwendet worden. Es wird vermutet, dass die Bleiglasurtechnik durch Flüchtlinge aus den erzreichen und schwer umkämpften Ostgebieten des römischen Reiches, vor allem aus Dakien, hierher gelangte. Das notwendige Blei für die Glasur fiel zwangsläufig als Nebenprodukt bei der Erzgewinnung an. Für die Glasurtechnik im Friedberger Raum schien es offenbar kein Problem zu sein, an Blei oder auch Altblei heran zu kommen.
Manche Ziegel sind mit Stempel versehen, bei anderen finden sich sog. Wischmarken. Hier hatte der Ziegler mit den Fingern Linien, Kreuze, Schleifen in den noch weichen Ton ausgeführt. Manches Mal finden sich aber auch die Trippelspuren einer Maus oder andere Tierpfotenspuren, die die Tiere hinterließen, als sie über die zum Trocknen aufgelegten Ziegel huschten.
Wie lange die Ziegeleien in Stätzling und in Rohrbach in Betrieb waren, weiß man nicht. Vermutlich ist es die Zeit um 400, als die römische Bevölkerung auf dem Lande wegen der anhaltenden Bedrohung der Germanen stark zurückging und die letzten Siedler sich in den Schutz der Provinzhauptstadt zurückzogen. Zu verdanken haben wir die Kenntnis von den beiden Töpfereien mit ihren in unserem Raum vorher noch nie hergestellten glasierten Töpferwaren aufmerksamen Hobbyarchäologen.
Regine Nägele, © Friedberger Allgemeine
Verlinkt zur Veranstaltung: Heimatkundlicher Stammtisch (06.02.2015, 19:00 Uhr)