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Heimatverein entdeckt beim Verpacken einen Buchschatz

Bibliothek: Das dünne Bändchen erinnert an den gebürtigen Friedberger Balthasar Hubmaier. Führende Persönlichkeit der Täuferbewegung nahm ein schlimmes Ende

02.04.2015

Heimatverein entdeckt beim Verpacken einen Buchschatz

Dem Büchlein war dieser Originalstich beigelegt, der Balthasar Hubmaier zeigt. Im
Hintergrund sind die Szenen mit seiner Hinrichtung und der seiner Frau zu sehen. Quelle: Heimatverein Friedberg.

Es ist nur ein dünnes Büchlein, fast ein halbes Jahrtausend alt. Zum Vorschein kam es im Schloss beim Verpacken der Bibliothek des Heimatvereins. Da das Schloss für den großen Umbau ganz leer geräumt werden musste, wurde für den sicheren Abtransport ins Depot auch die Bibliothek in mehr als 130 Umzugskartons sorgfältig verstaut. Mit dem kleinen 16-seitige Schriftchen wurde ein Buchschatz entdeckt. Es trägt den Titel „Ein Form des Nachtmals Christi“, stammt aus dem Jahre 1527 und wurde von einem gewissen „Balchasar Hubmör von Fridberg“ verfasst. Ein beigelegter Originalstich von Christoffel van Sichem zeigt nicht nur das Porträt des Balthasar Hubmaier, sondern in zwei Ausschnitten sein furchtbares Ende und auch das seiner Ehefrau.

Sein Name ist weitgehend in Vergessenheit geraten. Seinerzeit hat er mit anderen die Hoffnung auf religiösen und politischen Umschwung geweckt, die den Obrigkeiten nicht gefallen konnte.

Hubmaier wurde wahrscheinlich 1480 oder 1485 in Friedberg geboren. Von seiner Kindheit und Jugendzeit in Friedberg ist nichts bekannt. Das hat seinen Grund hauptsächlich darin, dass fast alles Schrifttum, das nicht schon vorher durch Kriege verloren gegangen war, letztlich durch die Verbrennung der Stadt im Dreißigjährigen Krieg 1632 in Flammen aufging. Nur aus anderen Quellen lässt sich wenigstens etwas Licht ins Dunkel bringen.

So findet sich ein erster gesicherter Nachweis im Matrikelbuch der Universität Freiburg. Hier steht zu lesen: „Baldesar Hiebmayr de Augusta, clericus August. dicoeces. Prima Maii 1503“. Damit scheint Hubmaier seine ersten Studien als Kleriker in Augsburg absolviert zu haben, bevor er sich am 1. Mai 1503 an die Universität Freiburg als Student einschrieb. Unter den Fittichen des bekannten Luthergegners Dr. Johann Mayer von Eck erlangte Hubmaier die Magisterwürde mit der höchsten Auszeichnung.

Nach einer kurzen Unterbrechung seiner Studien als Hauslehrer in Schaffhausen findet man ihn 1510 als Vorstand der sog. „Bursa Pavonis“ in Freiburg. Die „Burse“ war eine Art Vorläufer des Studentenwohnheims. Hier wohnten und lernten die Studenten und nahmen ihre Mahlzeiten ein. Die „Pfauenburse“ in Freiburg war zudem der Mittelpunkt akademischen Lebens mit dialektischen Übungen. Aber auch das gesellige Leben wurde gepflegt. Philipp Melanchton gehörte einst der Pfauenburse an und Eck war selbst eine Zeitlang Rektor.

1511 nahm die Theologische Fakultät von Freiburg Hubmaier unter ihre Dozenten auf. Honorarstreitigkeiten veranlassten ihn, bereits mit Priesterweihen versehen, an die Universität Ingolstadt zu wechseln, wo bereits seit 1510 sein Ziehvater Eck als Professor wirkte. 1512 erteilte ihm Eck die theologische Doktorwürde. 1516 verließ Hubmaier Ingolstadt um in Regensburg die Stelle des Dompredigers anzunehmen.

Doch schon 1521 findet man Balthasar Hubmaier als Pfarrer im kleinen Städtchen Waldshut am Rhein, nahe der Schweizer Grenze. Die Stadt gehörte zum Gebiet des habsburgischen Vorderöstereich. Hier versah er sein Amt offenbar anstandslos. Von den reformatorischen Schriften Luthers angetan, begann er sich in Waldshut mit diesen auseinanderzusetzen. Zudem hatte er Fühlung mit Männern der Neuerung wie Zwingli im nahen Zürich und Erasmus in Basel.

Gerade mit Zwingli, der in Zürich die Reformation durchsetzte, besprach er sich über Kirchenverbesserungen. Etwa um 1523 wandte sich Hubmaier der Täuferbewegung zu. Darüber kam es mit Zwingli zum Bruch, da er im Gegensatz zu Zwingli die Kindertaufe nur für ein rein äußeres Zeremoniell und somit wirkungslos hielt, da die Taufe den Glauben voraussetze. Hubmaier ließ sich nun von Pfarrer Wilhelm Reublin taufen, eine der herausragenden Persönlichkeiten der Schweizer Täuferbewegung. Ostern 1525 ging Hubmaier auf die Dörfer hinaus und taufte über 300 erwachsene Personen. Unter großen Feierlichkeiten verehelichte sich Hubmaier mit der von der Insel Reichenau stammenden Elsbeth Hügline. Von da ab laisierte er sich ganz und übernahm wie jeder andere in Waldshut auch bürgerliche Dienste, wie die Torwacht, wenn die Reihe an ihn kam. Er schaffte die Messen ab. In Waldshut und benachbarten Orten wurden Bilder und Kreuze in den Kirchen entfernt, da diese nur eitel und unbiblisch wären.

Es war die Zeit der Bauernaufstände, die ab 1524 weite Teile des süddeutschen Sprachraumes erfassten. Die Bauern trugen schwer unter den ihnen auferlegten Lasten. Sie sahen durch die Lehre Luthers und der Reformation die Bestätigung, dass die meisten davon nach Gottes Willen nicht vorgesehen waren. Auch Hubmaier sympathisierte mit den Aufständischen.

Schließlich verlangte die vorderösterreichische Regierung zu Ensisheim im Elsaß von der Stadt Waldshut die Auslieferung Hubmaiers und den Rückkehr zum alten Glauben. Trotz aller Drohungen hielten die Waldshuter zu ihrem wortgewaltigen und beliebten Pfarrer und widersetzten sich der Auslieferung.

Am Nikolaustag im Dezember 1526 jedoch wurde Waldshut durch die habsburgischen Truppen im Handstreich genommen, nachdem Hubmaier zuvor mit seiner Frau und anderen Getreuen in die Schweiz geflüchtet war. Erbarmungslos wurde die Stadt Waldshut mit ihren Einwohnern gestraft.

Auf lange Zeit gingen wichtige Privilegien verloren. Hubmaier flüchtete über Zürich nach Augsburg, das geradezu der Gründungsort der Wiedertäuferkirche wurde. Neben Hubmaier waren mehrere ihrer Anführer hierher untergetaucht.

Unter den heimlich Getauften sollen sich auch Bürger von Friedberg befunden haben. Hubmaier hat nie seine Herkunft verleugnet. Er nannte sich sogar nach seiner Vaterstadt Friedberg „Pacimontanus“ oder „Friedberger“, in späteren Streit- und Gegenschriften mit seinem elterlichen Namen „Hubmaier“. Die Lehre über Kindstaufe und Abendmahl legte er in der Schrift „Ain Summ aines ganzen christlichen Lebens“ dar, die er den drei Kirchen zu Regensburg, Ingolstadt und Friedberg widmete.

Schließlich gelangte Hubmaier endlich zu festem Aufenthalt ab Juli 1526 nach Nikolsburg in Südmähren. Unter dem Schutz des Herrn von Lichtenstein versuchte er dort ein wiedertäuferisches Zentrum zu errichten.
Erzherzog Ferdinand von Österreich, der mit aller Härte gegen alles Wiedertäufertum vorging, erzwang als König von Böhmen 1527 die Auslieferung Hubmaiers. In Wien wurde er nach längerem Prozess zum Staatsverbrecher verurteilt.

Auch in Ingolstadt, der Wirkungsstätte des einst so beliebten Professors Hubmaier sollte sich sprichwörtlich das Blatt gegen ihn wenden. Seine früheren Kollegen hängten sein im theologischen Hörsaal aufgehängtes Wappen um und fügten die Worte hinzu: „Möge der Herr seinen Leib dem Verderben übergeben, damit seine Seele gerettet werde“.

Hubmaier wurde am 10. März 1528 auf dem Scheiterhaufen in Wien verbrannt. Drei Tage später ertränkte man seine Frau mit einem Mühlstein um den Hals in der Donau. Nicht nur am Schloss in Nikolsburg, sondern auch an seiner Hinrichtungsstätte am Stubentor in Wien erinnert eine Gedenktafel an den Täufer Dr. Balthasar Hubmaier. Eigens gewidmet ist die Tafel in Wien von den „Christen dieser Stadt“ dem „Begründer des religiösen Toleranzgedankens“. Hinzugefügt ist ein Zitat aus Hubmaiers Werk „Von Ketzern und ihren Verbrennern“: „Christus ist nicht gekommen, dass er metzge, morde und brenne“.

Regine Nägele, © Friedberger Allgemeine

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