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Kriegsgefangene waren einquartiert in Markthallen

Beim Rathaus in Friedbergs französischer Partnerstadt Bressuire erinnert jetzt eine Gedenktafel an das Lager

04.10.2014

Kriegsgefangene waren einquartiert in Markthallen

Es war eine große freundschaftliche Geste von Friedbergs französischer Partnerstadt Bressuire: Seit Kurzem erinnert dort eine Gedenktafel an deutsche Kriegsgefangenen, die dort von 1914 bis 1919 in mittlerweile abgerissenen Hallen beim Rathaus untergebracht waren. Gemeinsam enthüllten dort der Bürgermeister von Bressuire, Jean-Michel Bernier, und der Zweite Bürgermeister von Friedberg, Richard Scharold, die Tafel. Dies zählte zum Auftakt der Veranstaltungen, mit denen in Bressuire an den Beginn des Ersten Weltkrieges gedacht wurde. Dorthin waren unter Federführung des Partnerschaftskomitees und des Heimatvereins 49 Friedberger gereist.

In den Hallen wurde gefeiert und verkauft.

Vor der feierlichen Enthüllung sprach der Vorsitzende des Historischen Vereins von Bressuire, Guy-Marie Lenne, über die Geschichte der Hallen: 1835 waren diese errichtet worden. Hier fanden Märkte statt, auf denen heimische Produkte verkauft wurden. Daneben wurde das weiträumige Gebäude für große Festveranstaltungen genutzt.

Als am 3. August 1914 das Deutsche Reich Frankreich den Krieg erklärte, schien in Bressuire der Krieg noch weit weg zu sein. Doch das sollte sich sehr schnell ändern. Bereits am 14. August fiel der erste Soldat aus Bressuire. Aus den von den Deutschen besetzten Gebieten waren auch Flüchtlinge auf der Durchreise. Im Oktober 1914 versorgte man eine Gruppe geflohener Belgier mit Lebensmitteln auf Stadtkosten.

Etwa zur gleichen Zeit erfuhr die Bevölkerung zu ihrem großen Missfallen, dass das Militär vorhabe, in den Hallen ein Kriegsgefangenenlager einzurichten. Ein erbitterter Streit setzte nun ein zwischen den zuständigen Militärorganen und der Stadtverwaltung, die mit allen Mitteln versuchte, eine solche Nutzung zu verhindern.

Warum wollten die Militärs ausgerechnet im Zentrum von Bressuire ein Gefangenenlager einrichten? Nun, seit Herbst 1914 erschien der Westen Frankreichs hierfür als ideale Region. Er lag fern von der Front, sodass es leicht war, die Gefangenen zu isolieren und ihnen eine Flucht unmöglich zu machen. So wurden für solche Lager Forts und Kasernen, aber auch Hotels sowie andere geeignete Gebäude beschlagnahmt, darunter eben auch die Hallen von Bressuire.

Anfang Dezember 1914 wurden 300 Kriegsgefangene nach Bressuire beordert, samt Bewachungstrupp. Die Gefangenen blieben aber zunächst noch im 80 Kilometer entfernten Poitiers, weil unter ihnen Scharlach ausgebrochen war. Am 12. Dezember kamen 300 deutsche Gefangene schwer bewacht mit dem Zug in Bressuire an.

Im Frühling 1915, die Gefangenen waren nun schon einige Monate da, war noch immer keine Übereinkunft zwischen der Stadtverwaltung und den Militärs über die Bedingungen der Unterbringung in den Hallen getroffen worden. Die Präfektur vermittelte zwischen den beiden Kontrahenten, sodass schließlich im März 1915 vertraglich festgelegt werden konnte, dass die Stadt Bressuire monatlich 300 Franc Mietzins für die Hallen erhielt, dafür aber für Wasser und Gasbeleuchtung sorgen musste. Doch Vertrag hin oder her, die Stadtverwaltung sträubte sich dann nach wie vor gegen die weitere Unterbringung der Gefangenen in den Hallen, sodass sogar in Erwägung gezogen wurde, diese an die Peripherie der Stadt zu verlegen.

Doch die Gefangenen blieben. Der Hickhack zwischen Bürgermeister einerseits und den Militärs und dem Präfekten andererseits aber blieb. Der Präfekt verbot schließlich die eigenmächtige Erhebung von Abgaben durch die Stadtverwaltung auf Warensendungen, die für die Gefangenen bestimmt waren. So durften nun Esswaren und Dinge wie Tabak, Streichhölzer, Spielkarten, die die Gefangenen aus dem Ausland bzw. ihrem Heimatland erreichten, nicht mehr versteuert werden.

Die hygienischen Zustände sowie die übrigen Bedingungen in den Hallen müssen, trotz aller Einfachheit, gut gewesen sein. Dies belegt der Bericht einer Schweizer Delegation, die das Lager 1917 besichtigte: In der riesigen Markthalle waren zwei Baracken aus Holz längs der Mauer gebaut worden, um so Zimmer zu errichten. Der weite Platz zwischen den beiden Baracken beherbergte den großen Speisesaal mit Bänken und Tischen. Die Gefangenen konnten sich dort aufhalten. Es gab Duschen (6 Duschköpfe und einen großen beheizbaren Wasserkessel) und Toiletten. Einmal in 15 Tagen hatten die Gefangenen das Recht auf eine warme Dusche, auf eine kalte dagegen, wann immer sie wollten!

Im Lager waren drei Räume für die Krankenabteilung bestimmt. Die Versorgung der Kranken wurde durch einen französischen Sanitäter geleistet, der von einem gefangenen Medizinstudenten assistiert wurde. Ein Militärarzt kam jeden Morgen zur Visite. Jeden Donnerstag kam ein Zahnarzt ins Lager. Eine Bibliothek war eingerichtet worden, die am Kriegsende mehr als 1000 Bände umfasste.

Wie in anderen Ländern auch, wurden die Kriegsgefangenen zu Arbeiten herangezogen. So mussten einige Gruppen beim Abladen der Kohle von den Güterwägen helfen oder bei der Gewinnung von Schotter, den man für Gleisarbeiten für die Strecke Paris–Bordeaux benötigte. Da in der Landwirtschaft Männer fehlten, weil diese ja im Felde waren, wurden sie in der Landwirtschaft und vor allem bei den Erntearbeiten eingesetzt.

War die Stimmung in der Bevölkerung zu Beginn durchwegs deutschfeindlich, so änderte sich dies zunehmend durch den direkten Kontakt der Menschen mit den Häftlingen. Man schätzte die zuverlässige und hilfreiche Arbeit der Deutschen. Für die „Feldgrauen“, wie die deutschen Soldaten wegen ihrer grauen Uniformen auch genannt wurden, war es eine Abwechslung vom eintönigen Lagerleben. Zudem konnte man wenigstens ein wenig Geld verdienen und sich kleine Annehmlichkeiten, wie Schokolade oder Zigaretten, leisten, die man im Lager kaufen konnte. Am 16. Juni 1919 wurde das Gefangenenlager offiziell geschlossen. Leider sind weder Zahlen noch die Namen derer, die hier einst im Lager bis 1919 einsaßen, überliefert geblieben. Auch die Markthalle steht längst nicht mehr. Anfang der 70er-Jahre wurde sie abgebrochen.

Nach der Gedenktafeleinweihung wurde im Beisein des Departement-Präfekten als Repräsentanten des französischen Staates in einem großen Filmsaal die Feier mit Ansprachen und mit der Präsentation des Films „Joyeux Noël“ (Frohe Weihnachten) fortgesetzt. Er erinnert an die Verbrüderung alliierter und deutscher Soldaten an Weihnachten 1914 in eindrucksvoller Weise.

Vor Beginn des Films waren in deutscher Sprache mit französischer Übersetzung zwei Belege für die Verbrüderung von Friedbergern an der Front mit französischen und englischen Soldaten auf die Leinwand projiziert worden.

Denkwürdige Sätze im Stadtarchiv entdeckt

Regine Nägele hatte bei ihren Recherchen für einen Artikel über das Jahr 1914 in Friedberg die denkwürdigen Sätze im Friedberger Stadtarchiv gefunden. Der erste stammt aus einem Feldpostbrief des Friedbergers Michael Wimpflinger an seine Eltern: „An Weihnachten selbst waren wir bei den Franzosen drüben am Drahtverhau und rauchten Zigaretten miteinander. Es war ein ganz friedliches Leben, aber jetzt ist das Friedensfest wieder vorüber.“ Der nächste Beleg für die Verbrüderung an Weihnachten stammt aus einem Feldpostbrief von Johann Lutz an seine Eltern in Friedberg: „An Weihnachten gingen sogar wir hinüber und sie herüber und bescherten uns gegenseitig mit Chocolade und Cigarren, was aber vom General verboten wurde.“

Weitere Gedenkfeiern werden in Bressuire am 11. November stattfinden, um an den Waffenstillstand von 1918 zu erinnern. Dazu wird wieder eine Delegation aus Friedberg mit Bürgermeister Roland Eichmann in die Partnerstadt nach Westfrankreich reisen.

Regine Nägele, © Friedberger Allgemeine

Verlinkt zur Veranstaltung: Reise in die Partnerstadt Bressuire/Frankreich (29.08.2014 - 04.09.2014)

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